Gedichte aus "Ich bin ein Glas aus Träumen"




Neid

.

Wie ich die Vögel beneide,

meine gefiederten Freunde

endloser Fernen!

Rechtmäßige Besitzer

der Lüfte sind sie,

weit ihre Wege –

ohne Pass,

ohne Auftrag,

Zäune sind Raststätten

erquicklichen Pfeifens –

ihre Grenze:

nicht zu denken!

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Mutter Heimat

.

Endlose Aprikosenallee …

Blick schweift

über das wogende Gold,

mir zuwinkend,

knisternd

unter ukrainischer Sonne.

.

Hoch stürzen

die Wolkenfesten,

rasch vermehren

sich Tropfen …

.

Scheu

blicken Kinder.

hüten

die Kühe,

trotzen

den Naturgewalten –

sind sie doch

ihnen entsprungen.

.

Drüben,

tief gebückt,

emsig am Werk,

eine Schar

Frauen und Mädchen –

im Rübenfeld des Sowchos –

Sonne und Regen,

Regen und Sonne –

das härtet …

.

Sah ich nicht

gleiche Tücher,

Blicke,

Winken

beim Straßenbau

kurz vor Uman?

.

Ja, sie ist es!

Ihr Lied

und ihre Hüften

sind verlockend …

.

Mutter Heimat –

lang schon,

aus Büchern,

kannte ich

dein Abbild.

Heute aber

sehe ich

dein Original –

das wahrhaftige.

(1976)

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Hoffnung

.

In meinen Schläfen

hämmert Bitternis.

Soll ich denn lachen

über eine Welt,

die sich selbst betäubt?

.

Dies kleine Stück,

das das Kinn

von der Brust hebt,

heißt

Hoffnung.

(1972)

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Auf der Flucht

.

Man hat mich verjagt

„im Namen des Führers“.

Man hat mich ausgebildet

„im Namen der Partei“.

Man hat mich entlassen

„im Namen der Einheit“.

Man hat mich geschieden

“im Namen des Volkes“.

Jetzt denke ich nach –

in eigenem Namen …

(1995)

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Kilimanjaro

.

Es ist der Ring,

der unsichtbare Gürtel,

die weiteste Weite,

der Umfang deiner Schönheit,

Mutter Erde.

.

Hier ist es heiß,

hier scheiden sich die Geister,

hier lebt das Hartgesottene,

hier an der Glut der Sonne.

.

Es treibt uns die Magie,

die Sehnsucht, Unfassbares zu erfassen,

anzufassen mit Händen

und mit Füßen zu erklimmen.

.

Hier sind sie,

die schlohweißen Haare der Jahre …

Ihnen zu danken,

im Mantratakt die Schwere zu ertragen

auf dem langen steinigen Weg

ins ewige Eis am Äquator.

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Leben

.

Wenn du ein Glas

aus Träumen suchst,

dann schau in dich hinein.

Es wird,

du fühlst es ganz genau,

dein eignes Leben sein.

.

Ein Leben klar wie Morgentau

wirst du hier niemals sehn.

Es ist so bunt,

voll Lust und Leid,

nur du kannst es verstehn.

.

Wenn du hinausgehst – irgendwann,

sind dir die Sterne nah.

Sie lächeln dir

zum Abschied zu –

sie sind jetzt immer da.

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