Walter Vorwerk | Ich bin ein Glas aus Träumen




Ich bin ein Glas aus Träumen, …

,,, zerbrechlich, dünn und klar … eine Auswahl meiner Gedichte, die über 50 Jahre meines Lebens auf lyrische Weise Auskunft geben, habe ich 2012 im Verlag Books on Demand herausgebracht. Ich empfand das damals als mutigen Schritt, denn Lyrik ist rar geworden – sie ist nicht jedermanns Sache. Gedichte schreibe ich seit meiner Jugendzeit, aber der Drang, von innen nach außen zu gehen, bekam in den 60er Jahren einen entscheidenden Impuls durch den russischen Dichter Jewgeni Jewtuschenko (1933- 2017), der seine Gedichte öffentlich vortrug, ganze Stadien füllte. Und so wurden damals „Lyrikabende“ und „Dichterlesungen“ in der DDR Mode. Ich arbeitete gerade als junger Journalistikabsolvent beim Sender Schwerin von Radio DDR. Das Mecklenburgische Staatstheater stellte uns „jungen, unruhigen Dichtern“ sogar den Saal zur Verfügung. Als die Veranstaltungen zu kritisch wurden, wurden sie „eingeschläfert“. Aber es drängte mich weiter und immer wieder, etwas aufzuschreiben, wozu man keine großen Erklärungen brauchte – Gedanken, Gefühle, Träume, Sehnsüchte, Konflikte, Freud und Leid, Werden und Vergehen in aphoristischer Form. Wie soll das gehen bei diesen gewaltigen inneren und äußeren Themen? Da kam mir ein Zitat des von mir hochverehrten Dichters Hermann Hesse zu Hilfe: Alle Lyrik ist Antwort des Ich auf die Welt. Ich glaube, er schrieb es 1940 … Alle Lyrik … also auch meine, dachte ich. Und so konnte ich in einer Zeit der Eingeschränktheit das folgende Bild 1971 in Verse fassen:

Ich komme noch einmal auf Hesse zurück: er gibt einen sehr intimen Einblick in das, was ihn umtreibt, Gedichte zu schreiben:

Ein Gedicht ist in seinem Entstehen etwas ganz Eindeutiges. Es ist eine Entladung, ein Ruf, ein Schrei, ein Seufzer, eine Gebärde, eine Reaktion der erlebenden Seele, mit der sie sich einer Wallung, eines Erlebnisses zu erwehren oder ihrer bewußt zu werden sucht. In dieser ersten, ursprünglichen, wichtigsten Funktion ist überhaupt kein Gedicht beurteilbar. Es spricht ja zunächst lediglich zum Dichter selbst, ist sein Aufatmen, sein Schrei, sein Traum, sein Lächeln, sein Umsichschlagen. („Über Gedichte“, GW 11, S. 197).

Eindeutig ist meines Erachtens immer ein Bezug zum Selbsterlebten – physisch und psychisch. Da gibt es Einschnitte im Leben. Einer davon war für mich der Aufenthalt in der Ukraine von 1975 bis 1977, beim Bau des DDR-Abschnitts der Erdgasleitung („Drushba-Trasse“).

Ich war dort für die Pressearbeit zuständig. Im Barackenlager in der Gebietsstadt Tscherkassy am Dnepr ist unter anderen das folgende Gedicht entstanden, das die Idealisierung eines Symbols auf realistische Füße stellt, durch das Erlebnis:

Was mir diese Gedichte, die damals entstanden sind, heute bedeuten, kann man sich vorstellen. Es greift mich an, berührt mich tief. Am 24. Februar 2022 war ich geschockt. Und die Besorgnis wächst und dennoch darf man die Hoffnung nicht aufgeben.

Das Nachdenken über Zustände, Umstände, Einflüsse geht meinen Gedichten voraus. Da gibt es starke Impulse, zum Beispiel durch die deutsche Vereinigung, die ja nicht unproblematisch verlief. Da lässt man im Schnelllauf sein Leben Revue passieren:

Erlebnisse sind in meinem Leben prägend gewesen, zum Beispiel dieses:

Am 04. August 2008 um 9.05 Uhr OZ erreichten meine Frau Sabine und ich – im 60. bzw. 70. Lebensjahr – den Gipfel des Kilimanjaro, des höchsten Berges Afrikas – 5.895 m

Vier Jahre zuvor (2004) schrieb ich das Gedicht „Ich“ mit dem Anfangsvers Ich bin ein Glas aus Träumen, den ich als Titel für meinen kleinen Gedichtband verwendete. 2012 bin ich dann noch einmal zu diesem Bild zurückgekehrt – da schließt sich der Kreis – aus dem „Ich“ wird „Leben“:

Im Vorwort zu meinem Gedichtband schreibe ich 2012: Ich empfinde Lyrik in dieser, unserer bewegten Zeit als ein Balsam, als Heilmittel der Versöhnung und Toleranz mit anderen und sich selbst. Vielleicht kann ich Ihnen dabei etwas helfen.

Walter Vorwerk im April 2022

Porträt des Schriftstellers Walter Vorwerk

Weitere Details zum Buch auf der Verlagswebsite

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