Geschichte eines Wandspiegels




Erinnert sei in dem Zusammenhang an einen Spaß. An eine kleine Geschichte - aufgeschrieben 1996 und damals verpackt als "Biografie-Geschenk":

Es war einmal ein Spiegel, der im zarten Alter von etwa drei Jahren von einem jungen Mann adoptiert wurde. Es war der Urgroßvater von Elisabeth und der Ururgroßvater von Christian. Sein frühes Leben - eine recht stürmische und vergnügliche Zeit - verbrachte er in einer prächtigen Villa mitten im schönen Erzgebirge. Diese befand sich nahe dem Schindlerswerk. Einer Fabrik, die durch ihre Farbenherstellung für den Blaudruck bekannt wurde.

Nach vielen Jahrzehnten war es dem stattlichen Spiegel in der alten Villa zu langweilig. Denn der junge Herr von damals war mittlerweile alt, grau und sehr einsam geworden. Als er eines Tages ganz von dieser Welt ging, war auch für den Spiegel die Zeit gekommen, sich zu verabschieden und neue Wege einzuschlagen.

Auf ging's nun in Richtung Vogtland. Und von dort aus weiter ins ferne Preußenland - nach Berlin. Dort schmückte der Spiegel von nun an nicht mehr die Wand einer feudalen Villa, stattdessen die einer winzigen Wohnung, in der es viele Jahre fröhlich und heiß her-, aber auch oft sehr traurig zuging. Zu den Wohnungsinhabern, Rainer und Elisabeth, gesellte sich schon bald der kleine Christian. Da wurde es noch enger im Dachstübl. Eine neue Wohnung musste also her. Was blieb unserem Spiegel anderes übrig, als mit seinen Menschenfreunden immer wieder weiter zu ziehen.

So sollte eine Korridorwand in einer gemütlich kleinen Wohnung zum letzten Zuhause des alten Spiegels werden. Noch einmal wurde er dort Zeuge von außergewöhnlich bewegten Zeiten.

Als eines Tages etwas zu viel Trubel im Domizil herrschte, brach sein langes Leben mit einem Male qualvoll zusammen bzw. auseinander. Nur die, die noch heute seinen braunen Spiegelmantel zieren, lassen mit ihren jeweiligen Geschichten den Spiegel in uns allen weiterleben.

Da ist zum Beispiel ein Strohhut, der Elisabeth bei der Überfahrt von Neapel zur Insel Capri vor zu viel Sonne schützte. Oder der Lederhut mit einer folkloristischen Tasche. Beides erinnern an einen erlebnisreichen Familienurlaub mit Christian, Papi Rainer und Mami Elisabeth in Tunesien. Zu des Spiegels Freunden gehört auch eine handgearbeitete Tasche aus Algerien, die von einer Freundschaft zwischen einem Studenten und einer frisch geschiedenen Frau zu erzählen wüsste. Von einer wunderschönen Fahrt zum temperamentvollen Ungarnvölkchen nach Budapest könnte hingegen ein hübsches Ledertäschchen plaudern.

Geradezu ins Schwärmen aber könnte eine ewig Reiselustige geraten, wenn sie liebevoll über die kleinen Tragebeutelchen aus Frankreich und der Insel Kreta streicht. Fast schwermütig wird eine Sonnenhungrige dann, wenn sie das kleine Schlüsseltäschchen von Lanzarote betrachtet.

Blicken die Eltern des kleinen Christian auf die Kerze im gedrechselten Kerzenständer, werden bei ihnen leider nicht nur schöne Erinnerungen wach.

UNSER SPIEGEL IST NICHT MEHR

Nur noch Überbleibsel des Spiegels zusammen mit glänzend runden Scheibchen bedecken die sichtbar gewordene Holzfläche. Sie symbolisieren einer Langzeitarbeitslosen den schmerzlichen Abschied von der heiß geliebten Arbeit. Sie künden aber auch davon, dass Musik im Leben von drei Menschen noch immer eine ganz große Rolle spielt. In einer Familie, die viele Jahre gemeinsam in einem Boot durch ein stürmisches Meer der Erlebnisse fuhr. Irgendwann werden die drei vielleicht aus diesem zu eng gewordenen Schiffchen wieder aussteigen müssen.

Wie dem auch sei. Voller Optimismus blickt ein fröhliches Gesichtchen - nämlich das vom inzwischen 11 jährigen Christian - in noch vorhandene Spiegelrudimente. Und an einer Stelle des neu kreierten "Gesamtkunstwerkes" ist zu lesen:


  • Wage einen Neubeginn! Das schwerste Stück Leben liegt hinter Dir.

  • Jetzt ist es angebracht, Irrtümer und Illusionen einzusehen und loszulassen. Öffne Dich für eine neue Sichtweise gegenüber den Herausforderungen des Lebens.

  • Erkenne Deinen Wert. Teile Deinen inneren und äußeren Reichtum großzügig mit anderen Menschen.

  • Erfolg ist eine Herausforderung, die wir Menschen sowohl ersehenen als auch fürchten. Der größte Erfolg liegt darin, sich selbst in allen Situationen treu zu bleiben.

  • Deine Offenheit und Ehrlichkeit ist Deine stärkste Waffe. Setzt Du sie ein. Prüfe, ob Deine Absichten klar und rein sind.

  • Gib mir die Gelassenheit. Dinge hinzunehmen‚ die ich nicht andern kann. Gib mir den Mut. Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

  • Äußerer Glanz nur wenig zahlt, wenn das Gold des Herzens fehlt.

  • Ein freundliches Wort kostet nichts. und ist doch das schönste aller Geschenke.